Sonntag, 9. März 2014

Die Hoffnung stirbt zuletzt

"Habari ya asubuhi?"- "Wie ist dein Morgen?" Frage ich den "Caretaker" unseres Camps. "Salama sana" - "sehr friedlich" antwortet er. Treffender könnte seine Antwort nicht sein an diesem wunderschönen Morgen irgendwo im Nirgendwo, mitten in Kenias Highlands.
 Wie sich wohl der weiße Siedler gefühlt haben mag als er vor gut 100 Jahren im regnerischen Southampton auf ein Dampfschiff oder einen Seegler stieg und zwei Monate später im brütend heißen Mombasa seine Überseekoffer in die Bahn lud, deren Gleise uns noch heute fast täglich auf unserer Safari durch das Rift Valley begegnen? Nach Nakuru wird er wohl nicht mehr als 3 Tage gebraucht haben, doch dann gingen die Strapazen wohl erst richtig los. Mit dem Eselkarren durch den Busch wird er erst nach Wochen das ihm zugeteilte Land erreicht haben. Nun war er ein "Bwana", ein Herr über eine riesige Fläche Land und über alle Schwarzen die darauf lebten. Was er wohl seiner Frau zuhause in England in seinem ersten Brief geschrieben haben mag? Was er ihr wohl aufgetragen hat mitzubringen in diese fremde neue Welt, die nun sein neues Zuhaus sein sollte?
 Ich weiß es nicht und es ist ja eigentlich auch nicht die echte Geschichte Kenias, die hier geschrieben wurde. Denn schon seit Jahrhunderten lebten hier Menschen, deren Gott auf dem Mount Kenia lebte und deren wissen von Generation zu Generation mündlich überliefert wurde, sodass wir heute kaum noch etwas davon wissen.

Zwei Welten sind damals hier aufeinander geprallt. Das des Britisch Empire und das des Bantu Volkes der Kikuyu, die hier am Rande der Abadares am Lake Olbolosat ihr Zuhause haben. Viel ist seit dem schief gegangen in Afrika und auch im verhältnismäßig friedlichen Kenia. Die Freiheitskämpfer der Mau Mau, die sich hier in den dichten Wäldern der Abadares versteckt hielten, haben es geschafft, die Briten zur Aufgabe ihrer Kolonie zu bewegen. Jomo Kenyatta ihr Anführer wurde ihr erster Präsident. Heute 50 Jahre später feiert Kenia seine Unabhängigkeit auf Coca Cola Etiketten und kämpft doch immer noch mit dem Erbe der Kolonialzeit.
In den vergangenen zwei Wochen hatte ich viele Gelegenheiten mit den unterschiedlichsten Menschen über die Entwicklung Kenias nach den Unruhen Anfang 2008 zu reden. Vertreter der Stämme Kikuyu, Kalenjin, Luo und Luya, Freunde und Fremde, deren Geschichten einfach so auf mich einprasselten, ohne dass ich das Ausmaß, was diese Geschichten wohl für sie bedeuten, so richtig erfassen konnte.
Man muss schon genau hinsehen, um dieses Land zu verstehen. Gestern kam in unserem Kleinbus mit dem wir hier unterwegs sind die Frage auf, ob wir wohl schon "das Elend Arfikas" gesehen hätten? Komische Frage irgendwie, aber doch nicht von der Hand zu weisen. "Nein", kamen einige zu dem Schluss, das hätten sie eher nicht, verhungern tut ja hier (gerade) keiner. Straßenkinder? Okay, die hatten wir gesehen, vielleicht ließen sich diese in die Kategorie "Elend" stecken? Andere wiederum äußerten, dass ihnen  eigentlich alle leid täten, denen es vermeintlich schlechter gehe als ihnen selbst. Wo hört der Kampf ums Überleben auf und wo fängt ein lebenswertes Leben an?

Die Familie meines Freundes Patrick, einem Luhya aus Kitale, hat bei den Unruhen alles verloren. Sie hatten ein großes Land, sein Vater vier Frauen, mit keiner war er so richtig glücklich. Letzte Woche ist er gestorben, nun muss sich Patrick um die Familie kümmern. Er hatt zehn Geschwister von seiner Mutter, dazu noch einige Stiefgeschwister. Wie soll das gehen, er ist Missionar bei DIGUNA in Tinderet, lebt von Taschengeld. Als sein Vater starb, war er mit einem Team in Südamerika. Dort hatten sie  eine gute Zeit und dann kommt er nach Hause und erfährt als erstes dass sein Vater gestorben ist.
Man könnte verzweifeln wenn man solche Geschichten hört, doch Patrick tut es nicht, er sagt: "The Lord will take us through and I know that I have to continue in his ministry." Ich gehe gestärkt aus diesem Gespräch, obwohl eigentlich ich ihm hätte Mut zusprechen hätte müssen. Diese Zuversicht und dieses Gottvertrauen und diese "Never give up" Mentalität begegnet mir hier fast täglich.
Im Glauben ein Kinderheim zu bauen, ohne dass man das Geld hat, um es auch fertig zu stellen, was für eine dumme Idee könnte man meinen, aber ich staune lieber und denke: was für ein Glaube! Das Haus steht schon fast und mein Freund Benson sprudelt nur so vor Ideen, was er noch alles auf seiner Farm anbauen könnte, um die Kinder zu versorgen, die noch in diesem Jahr dort einziehen sollen.
Es ist "the kenyan way" so ein Projekt aufzuziehen, es ist ein afrikanisches Baby das hier geboren wurde und das ist gut so.
Wenn man sich in Kenia umsieht, sieht man ein Land in dem immer mehr Menchen Verantwortung für sich selbst und ihr Land übernehmen. Es herrscht Aufbruchstimmung, überall werden neue Straßen asphaltiert und es gibt "Plots for sale" an jeder Straßenecke. Überall schießen neue Häuser wie Pilze aus dem Boden und mit der richtigen Geschäftsidee kann man es schnell zu etwas bringen.
Dieser neue Geist ist ansteckend, auch wenn es natürlich ein wackeliges Gebäude ist, dieses neue Kenia. Korruption, Vetternwirtschaft, wilkürliche Rechtsprechung, Kriminalität und gefährliches Stammesdenken sind noch lange nicht überwunden, doch es geht voran, das kann man deutlich sehen.
Schön, dass wir mit Nipe Tumaini einen kleinen Teil dazu beitragen dürfen, den Schwächsten in dieser Gesellschaft zu helfen. Es ist nicht unmöglich, Gott baut sein Reich mit den kleinen Dingen die wir ihm dazu zur Verfügung stellen. Das macht Hoffung, da ist Nipe Tumaini.

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